24 Dezember 2018

Feelin' blue, aber in schön

Der heutige Tag ist ein Paradebeispiel dafür, dass man die englische Redewendung "I'm feelin' blue" auch sehr positiv interpretieren kann. Nach zwei Überraschungsbesuchen von lieben Freunden, einmal morgens, einmal nachmittags, nach dem Genuss einer leckeren Paella und - was darf nicht fehlen? - einem leckeren Espresso aus der Lavazza-Blue-Tasse sitze ich hier in meinem eigenen Zuhause vor der schönsten blau-weißen Tasche der Welt und könnte alle und jeden umarmen. Hach!

Blue, blue, blue ...

Als mein Brüderchen mir heute ein Foto von seinem Besuch am Grab der Eltern zusandte, kamen Erinnerungen hoch, an die letzten Heiligabende bei den Oldies, die uns vor ein paar Jahren verlassen haben. Und es fühlt sich gar nicht nach Trauer und Verlust an, sondern nach der schönen Erinnerung an Nudel-, Kartoffelsalat und leckeren Spießbraten vom Ali. An die Bescherung danach, an die leuchtenden Augen des alten Herrn beim Anblick der Olympiasammelalben von 1936 und 1938, der Alben seiner Kindheit, an das glückliche Gesicht unserer Mutter, wenn sie uns von früher erzählte.


Ein Ritual, dass wir uns in den Jahren vorher mühsam erarbeitet hatten. Mühsam, aber erfolgreich. Nach vielen schwierigen, konfliktbeladenen Jahren war es uns gelungen, einen gemeinsamen Weg zu finden, der sich für alle Beteiligten gut anfühlte. Wenn ich bedenke, welche heftigen Auseinandersetzungen wir über Jahrzehnte ausgefochten haben, dann war das eine tolle Leistung von uns allen. Sowohl die Eltern als auch mein Bruder und ich haben uns bewegt, uns zurück genommen, uns bemüht, bis es letztendlich diesen Weg gab.
Und heute noch, wo "der Gerrad" und "ed Friedsche" seit Jahren nicht mehr bei uns sind, kann ich mich mit einem guten Gefühl an die letzten gemeinsamen Heiligabende erinnern. Auch als nach dem plötzlichen Tod unseres Vaters die letzten Jahre mit der eigensinnigen Mutter alles andere als einfach waren, bleibt das gute Gefühl, das wir uns bis zum Schluss um sie gekümmert haben. Wenn ich mir dagegen vorstelle, wie das gewesen wäre, die Eltern ohne Versöhnung verloren zu haben, dann spüre ich sofort, dass ich mir das erst gar nicht vorstellen will. Der Herr wird sie in Frieden ruhen lassen.

22 Dezember 2018

Alter ist relativ

Wenn man, wie ich, auf die 62 zugeht, fühlt man sich innerlich ja nicht wirklich alt. Das hab ich auch von vielen anderen Menschen so oder so ähnlich gehört. Das innere Kind wächst offensichtlich sehr viel langsamer als die äußere Hülle.
Trotzdem gibt es einige Signallampen, die so unübersehbar sind, dass auch mein inneres Kind es höchstens schafft, sie ein wenig an den Rand der bewussten Wahrnehmung zu drängen. Wenn ich z.B. mal wieder die Treppe runter, aus dem Haus raus und nach vorne an den Carport gelaufen bin, und dann dort völlig ahnungslos bin, was ich eigentlich da wollte. Das ist so eine Lampe.
Ok, ist mir auch im Alter von 25 schon mal passiert. Aber seltener. Viel seltener. Und es hatte andere Gründe. Nach einem wochenendlichen Dreitagerennen durch die heimische Kneipenszene war ich schon mal froh, wenn ich meinen Namen noch wusste. Aber heute? Kann ich eigentlich nur was aus dem Auto holen gewollt haben. Sonst ist im Carport nix Nennenswertes zu finden. Ich hab aber gar keinen Autoschlüssel dabei. Komisch. Jetzt ganz ruhig bleiben und logisch denken. Ich schlurfe zurück ins Haus. Wenn ich jetzt den Schlüsselbund hole und wieder zum Auto gehe, wird es mir einfallen. Bestimmt. Gesagt getan. Im Haus dann den Schlüssel suchen.
An seinem Stammplatz im Regal ist er nicht. Hmmmh, den hab ich doch immer nur da oder in der rechten Hosentasche. Ein Griff in die rechte Hosentasche - kein Schlüssel. Aber mein Handy. Was macht das denn in der rechten Tasche? Das ist doch immer in der linken! In der linken Tasche ist - der Schlüsselbund! Ach ja, ist klar, wenn rechts das Handy ist, kann ich den Schlüsselbund nicht auch noch dort einstecken und hab ihn in die linke Tasche getan. Ich wusste doch: Es gibt für alles eine logische Erklärung!
Mit dem Schlüsselbund in der Tasche wieder zurück zum Auto. Hmmh, was will ich denn am Auto? Immer noch keine Ahnung. Und als ich da so stehe, fällt mein Blick zur Straße auf den Briefkasten. Ach ja, ich wollte nach der Post sehen. Aufschließen, nachsehen - nix drin. Ach herrje, wir ham ja Sonntag! Wenigstens klärt sich so alles auf. Aber ich muss mir selbst eingestehen, dass mich die Altersstruddeligkeit doch ein wenig erwischt hat.

 Mir fällt spontan die Szene von letzter Woche ein, als ich am Kassenautomat des Parkhauses fast verzweifelt bin, der Drecksautomat wollte meinen gelben Parkchip nicht akzeptieren, behielt ihn ne Weile ein, rumpelte, machte Stimmen, um ihn dann wieder auszuwerfen. Im dritten Versuch hab ichs dann mit kräftigen Fausthieben versucht. Vergeblich. Auch diesmal spuckte er meinen Chip wieder aus. Meinen gelben EINKAUFSWAGENCHIP! Den hinter mir Wartenden ist es nicht aufgefallen. Ich hab das Teil dann unauffällig gegen den richtigen Chip getauscht, den ein paar Mal an meiner Jeans gerieben und dann "Also, es geht doch!" gesagt, als ich bezahlen konnte. Aber gut, die Chips waren beide gelb, das kann ja dann mal passieren.

Ok, die Häufigkeit solcher oder ähnlicher Vorgänge steigt in den letzten Jahren linear an. Und als ich eben darüber nachdenke und mir endgültig eingestehe "ICH BIN ALT und ich steh dazu!",  schalte ich den Fernseher nach dem Fußballspiel um und erschrecke mich, denn ich bin hier gelandet:

Mutantenball  mit Andy Borg

und singen bumsfallera .....
Und nun weiß ich: Ich bin gar nicht alt! Es gibt noch viele, viele Menschen, die viel, viel älter sind als ich. Darunter sogar einige, die nach mir geboren wurden. Jetzt geht's mir direkt besser.
Ich schalte den Fernseher aus und lege die neue Feelies-CD ein. Schööön!

16 Dezember 2018

Ernie, Staarman und ein alter Bärenknochen

Es waren einmal drei Jungs, die vor langer, langer Zeit im selben Dorf aufwuchsen. Es mag vor 45 Jahren gewesen sein, da begannen die beiden älteren Jungs, abends gemeinsam um die Häuser zu ziehen anstatt brav zum Abendessen am Familientisch zu sitzen. Ernest International und der noch junge Bärenknochen erlebten viele schöne Skatabende, heiße Kickerduelle und spannende Fußballübertragungen. Spätestens, als der Benny-Hill-Klassiker in den SWF3-Top-Ten bei Frank Laufenberg auftauchte, wurde aus Ernie der schnellste Milchmann des Westens, während Bearbone sich mehr anderen Getränken widmete und alsbald die elterliche Höhle und das Dorf verlies.



Längst hatte auch der kleine Bruder des Bärenknochens, der junge Sternenmann, begonnen, seinem großen Bruder nachzueifern und wurde zunehmends häufiger beim Abendessen vermisst. Und so beschritt jeder von ihnen seinen Lebenspfad, der Bärenknochen und der Milchmann verloren sich komplett aus den Augen, nur die Lebenswege der beiden Brüder kreuzten sich immer wieder und sie liefen immer wieder kleine und große Abschnitte zusammen.

Smoking Ernie

Und heute, Jahrzehnte später, laufen alle drei Fäden wieder zusammen. Einer kommt mit dem Bus, einer mit der Bahn und der dritte mit dem Auto und treffen sich am Wochenende in der nahe gelegenen Stadt, um mittags zusammen lecker zu speisen und zu quatschen. Anschließend lassen sie nach einem kleinen Spaziergang im Kulturbackhaus bei Cappuccino, Café Crema und Rauchwaren ihr Treffen ausklingen. Jeder der drei lebte und lebt seinen eigenen Lebensentwurf, jeder ist an einem anderen Wohnort gelandet, aber der Bezug zueinander ist immer noch vorhanden.

Staarman, Oldbearbone und Ernie im Kulturbackhaus

Auch wenn diesmal ein weiterer Dorfjunge leider absagen musste: Die alten Männer sitzen wieder zusammen, ist das nicht wunderbar?


09 Dezember 2018

We are Family

Ich durfte das kürzlich aufgegriffenen Thema "Heimat" am Wochenende um den Begriff "Familie" erweitern. Die große Tochter meiner alten Liebe hatte nach dem schönen Beisammensein anlässlich ihrer Hochzeit Geschmack daran gefunden und angeregt, "so was in der Art" vor Weihnachten vor Weihnachten nochmal zu wiederholen. Eine tolle Idee, für die sie viel Zustimmung erntete. Ihre Mom machte eine beheizte Grillhütte hier in der Nähe klar, Tochter 2 organisierte über Doodle "Wer bringt was mit?" und ruckzuck wurde ein schöner Abend daraus.

Unsere freiwilligen Grillmeister zauberten Würste und Steaks auf den Teller, Salate und Snacks, Kuchen und Mandelpudding, Chips und Nüsse wurden ausreichend mitgebracht. Und auch Bier, Wein, Aperol und Appelschorle flossen reichlich. Als der ein oder andere Aperolspiegel hoch genug war, packte unser musikalischer Leiter die Gitarre aus, seine beiden Töchter gruppierten sich sofort um ihn, und sie sangen - WEIHNACHTSLIEDER! Darauf war ich nicht vorbereitet, die Plätze um unseren Tisch waren schnell zugestellt, das nächste Fenster außerhalb meiner Sprungweite, so hatte ich keine Chance zu entkommen. Das war einer der seltenen Momente, in denen ich mich über meine ausschaltbaren Hörgeräte gefreut habe.

Ein buntes Miteinander

Aber schon nach drei Liedern, die ich nur an den Lippenbewegungen identifizieren konnte, kam der erste Musikwunsch von der Aperolfront am Nachbartisch. So laut, dass "Lady in Black" auch meine tauben Gehörgänge durchdrang. Von da ab wurde es wieder schön. Dass irgendwann derjenige aus der Familienclan, von dem ich es am wenigsten erwartet hatte, seine Vorliebe für "Tief im Westen" äußerte, führte dann zu meinem musikalisch-emotionalen Highlight, auch wenn die Aperolfront das Lied durch ständiges Dazwischenreden und falsche Strophe singen einige Mal verhagelte. Schön war's!

Was mich am meisten berührt hat, war das Gefühl, hier daheim zu sein, dazu zu gehören, mich mit diesen Menschen wohl zu fühlen, auch wenn ich rein genetisch betrachtet bestenfalls eine Beisitzerfunktion auf einer Stabsstelle innehabe. Aber in dieser Familie geht das, kann man sich daheim fühlen. Hier wird der Umfang des Begriffs "Familie" in ungeahnte Weiten gedehnt. Oder, anders ausgedrückt: Mehr Patchwork geht gar nicht.


German Television proudly presents: Die André-Girls!

Mein frühere "Schwiegermutter in spe" war mit mir zusammen nachmittags zur Hütte gefahren, und gemeinsam nahmen wir dann das Vorrecht der beiden Ältesten in der Runde in Anspruch und verabschiedeten uns spätabends, als die Feier noch längst nicht beendet war. So konnten wir uns auch vor dem Aufräumen und Saubermachen drücken, aber solange hätten wir eh nicht mehr durchgehalten. Nach den Bildern zu urteilen, die uns per WhatsApp erreichten, schien es auch noch lustig gewesen zu sein.

Frau Dingdong, Herr Bimbam
 und Frau Pippelpappel (v.l.n.r.)

Heute morgen dann Frühstückstreffen im kleineren Rahmen bei mir. Frau Dingdong und Frau Pippelpappel mit Partnern und die "Schwiegermutter in spe" klingelten bei Herrn Bimbam bescherten dem einen wunderbaren Start in den Tag und nochmal einen Nachschlag zum Thema "Familie". Für mich war es auch die Bestätigung der Erkenntnis, dass meine Heimat und meine Familie dort sind, wo ich mich mit den Menschen verbunden fühle und das Gefühl habe, willkommen zu sein.

Übrigens haben wir gestern Abend auch darüber gesprochen, demnächst zu viert ins Ruhrstadion zu fahren und die Hymne gemeinsam mit fünfzehntausend anderen Menschen zu singen, tief im Westen.


04 Dezember 2018

Heimat

Angeregt durch den blog-Artikel Zeitreise des Herrn gnaddrig tauchten so viele Gedanken und Bilder vor meinem emotionalen Auge auf, dass ich sofort anfangen musste, diese niederzuschreiben.

Wie ist das mit meiner alten Heimat, mit meiner Beziehung zu dem Dorf, in dem ich zur Welt gekommen und aufgewachsen bin? Heute, mit 61, bin ich nun glücklich und zufrieden in meiner Wohn- und Arbeitsstadt im eigenen Häuschen angelangt. Und ab April 2020 wird es nur noch meine Wohnstadt sein. Wie war das alles damals?

Ich fange mal ganz von vorne an. Als kleines Kind ging es mir wie den meisten von uns, das Haus, dann die Straße, dann das Dorf waren die ganze Welt, die ich kannte. Zweifel daran oder Sehnsüchte nach fernen Welten waren mir völlig fremd. Im Haus der Oma geboren, der Hof des Bauernbetriebs war mein Spielzimmer, der Sandkasten im Hof des Nachbarhauses ein zweiter Aufenthaltsort, in dem ich mit dem Nachbarsmädchen, das ein Jahr älter war, spielte und zankte, oder gezankt wurde.
Das Rheinufer war der gefährlichste Spielort, die verbotene Zone, denn da hauste ja die schröckliche Onnermooder (deutsch: Untermutter), die alles verschlang, wenn man ihrem Reich, dem Fluss, zu nahe kam. Das morgendliche Eingesammeltwerden von der Kindergärtnerin, Fräulein Lieselotte, war eine Reise, die zweihundert Meter bis zur Holzbaracke schnell ein gewohnter Pfad. An Ostern das Einsammeln der versteckten Ostereier im Casino-Garten, Distanz einhundert Meter, der einzige Ausflug, an den ich mich in der Zeit erinnere.
Dann mit fünf Jahren der Umzug ins neu gebaute, halb fertige Eigenheim am anderen Ende des Dorfs. Dass dies deshalb geschah, weil es meinen Eltern im großen Bauernhaus mit meinen Großeltern, zwei Geschwistern meiner Mutter, und anderen Bewohnern, die ich schon vergessen hab, zu eng, zu laut, zu hektisch wurde, habe ich damals nicht gewusst. Mein Brüderchen war bereits unterwegs, kam zur Welt, bevor wir einzogen, und verbrachte die erste Zeit im Schlafzimmer meiner Eltern, während ich recht schnell ein eigenes Zimmer bekam.
Neue Freunde lernte ich hier am Ortsrand am Ende einer noch nicht asphaltierten Straße schnell kennen. Der Weg endete in einem Feldweg im wahrsten Sinne des Wortes, danach kamen nur noch Felder. Schräg gegenüber von unserem Haus, neben der alten Scheune, war viel Erde aus den Baugruben der Häuser aufgeschüttet worden. Diese Hügellandschaft war schnell bewachsen mit Sträuchern, Wiese und kleinen Obstbäumen. Für uns waren das die "Apachenberge", unser liebster Spielplatz.
Das Stromern in Feldern und Wäldchen, das Klettern auf Bäume, das war unser Ding den ganzen Sommer über. In der Nachbarschaft gab es fünf Kinder in meinem Alter, weitere fünf ein paar Jahre jünger, wir spielten in unserer eigenen kleinen Welt. Mit der Einschulung kamen dann weitere Kinder hinzu, die Meisten kannte ich bereits aus dem Kindergarten, aber einige waren auch neu zugezogen.
Dass dies mit dem neuen Industriegebiet, das nebenan entstand, zusammenhing, wusste ich damals nicht. Das zog weitere Familien an, hier gab es Arbeit. Einige auf dem Klassenfoto vom zweiten Schuljahr waren nur für zwei oder drei Jahre hier, dann zogen die Familien weiter.
Unser Spielrevier weitete sich aus, die (illegale?) Müllkippe direkt hinter den Feldern und vor den enstehenden Fabriken wurde kurzerhand von den Eltern zur verbotenen Zone erklärt. Ebenso wie zwei Jahre später das Gelände neben dem neu entstehenden Hafen am Rhein, der gerade ausgebaggert wurde. In den Pfützen zwischen den Dreck- und Kohlebergen gab es zu Hunderten Kaulquappen, die uns bei unseren Aufzuchtversuchen im heimischen Garten hinter dem Haus meist jämmerlich verreckten.
Dann mit zehn der Wechsel aufs Gymnasium, in meinen Erinnerungen gegen meinen strikten Willen, weil ich lieber bei meinen Freunden im Dorf bleiben wollte. Jahrzehnte später erklärte mir meine Mutter stets, dass ich das selbst gewollt habe, ich müsse mich wohl irren.
Trotz Gymnasium auf der anderen Rheinseite blieb das Dorf noch meine emotionale Heimat. Erst mit der einsetzenden Pubertät führten Hormone, Suff und Widerwärtigkeit schnell dazu, dass ich unbedingt aus dieser Enge fliehen wollte, dieses spießbürgerliche verheuchelte Drecksnest irgendwann für immer verlassen wollte. Und keinesfalls konnte ich mir damals vorstellen, auch nur annähernd so brav und angepasst wie meine Eltern zu werden. Aber ich musste 23 Jahre alt werden, um den ersten Schritt aus dem Elternhaus zu wagen. Und auch danach blieb "meine" Dorfkneipe "daheim"noch viele Jahre die Stammkneipe, wo ich mich mit den alten Kumpanen am liebsten bematschte. Aber nur zu Besuch. Hier nochmal leben? NIEMALS!
In den nächsten fünf Jahren dann gefühlte sieben Wohnungswechsel, immer in sicherem Abstand rund ums Heimatdorf. Als hätte man mit dem Zirkel einen Kreis drum herum gezogen, auf dem fast alle meiner Behausungen lagen. Dann, nach fünf Jahren, der große Bruch im Leben. Knapp neun Monate Alkoholentzug, danach ein langer Weg zurück in ein halbwegs strukturiertes Leben. Nüchtern war es noch klarer: NIE MEHR würde ich in diese Umgebung zurück wollen, NIE MEHR!

30 Jahre später:
Einige Wochen, nachdem wir unsere Mutter im Familiengrab neben unserem Vater beerdigt hatten, spazierte ich mit meinem Bruder im Anschluss an ein Treffen im Elternhaus über einen der früheren Feldwege, heute begehrte Spazierrouten durch Schrebergärten, Wäldchen und Felder. Früher war das die Route für die ungeliebten Sonntagsspaziergänge mit den Eltern, Nun fühlte es sich seltsam anders an.
Wir trafen an einem Ende des Wegs, kurz bevor man an die Rückseite der alten Tankstelle kommt, einen Klassenkameraden aus der Volksschule mit seiner Frau. Ich freute mich sehr über dieses unverhoffte Wiedersehen und sie liefen ein Stück mit uns. Dann kam uns eine Freundin entgegen, die noch im Ort lebt und die von ihrer Mutter mit dem Rollstuhl geschoben wurde. Sie hat MS. Wir blieben alle zusammen stehen und quatschten. Drei Minuten später kamen ein alter Kumpel und seine Lebensgefährtin mit dem Fahrrad vorbei, blieben auch stehen. So standen wir alle zusammen, blockierten den ganzen Weg und redeten wild durcheinander. Da merkte ich, dass es mich richtig durchströmte, aus der Erde floss ein Strom durch meine Füße und durch meinen ganzen Körper bis in den Kopf. Ich hatte keine Chance, mich dagegen zu wehren. Diese Energie ließ mich spüren:

Hier bist Du daheim, hier gehörst Du hin!


Nach einer Weile löste sich unser Pulk auf und ich ging mit meinem Bruder alleine den Weg zurück bis zum Elternhaus. Ich erzählte ihm, wie es mir gerade gegangen ist, hatte Tränen in den Augen und ich hatte das Gefühl, er versteht es genau, er kennt das. Er war derjenige, der immer zurück ins Dorf wollte, später mal.

Danach gab es viele Pläne, gemeinsam am Elternhaus unsere Zelte aufzuschlagen. Umbauen, Ausbauen, hinten im Garten neu bauen. Leider machte das zuständige Bauamt uns so viele Striche durch alle Rechnungen, dass wir am Ende beschlossen: "Es soll nicht sein, wir verkaufen es und jeder holt sich was Eigenes für sich allein."

Heute, nachdem ich diesen Plan umgesetzt habe und in meiner Wohnstadt, in der ich mich pudelwohl fühle, im eigenen Häuschen sitze, habe ich das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Ich bin gerne ab und zu im Heimatdorf, zum Retro-Skat mit alten Kumpels, zum Klassentreffen, oder auch ab und an am Grab der Eltern, und es fühlt sich gut an. Und anschließend bin ich froh, wenn ich wieder in meinem neuen Haus in meiner Wohnstadt, wieder "daheim" bin.

25 November 2018

Fotos von und mit Alt-Grünen

Sara Bennett - stimm- und ausdrucksgewaltig 

Zur Eröffnung der heutigen Ausstellung des Foto-Clubs Andernach im hysterischen Rathaus waren viele Gäste erschienen. Sara Bennett gab uns einige Kostproben ihrer Stimme und ihres dramatischen Ausdrucks.

Zwei von Ingrids Kugelfotos
Es gab echt schöne Bilder zu sehen, auch von Ingrid, mit der ich mich verabredet hatte. Ich hätte nie gedacht, dass ihre bunten Glaskugel-Fotos völlig ohne Photoshop entstanden sind. Es gibt viele verschiedene Richtungen zu sehen, es lohnt sich, geht hin!

Zum Abschluss das Schönste. Ingrid und ich sind beide Alt-Grüne, sozusagen der ersten Stunde, waren damals zusammen im Stadtverband Koblenz und haben uns seit Mitte der 80er Jahre völlig aus den Augen verloren. Und dann laufen wir uns 2018 in Andernach bei einer Umweltaktion über den Weg und haben Mühe, uns wieder zu erkennen.

Eine schöne Wiedersehensgeschichte, die wir heute in der Fotobox krönten.

So sehen Alt-Grüne 33 Jahre später aus

24 November 2018

Herztod, Kampf und Deutsche Bahn

Was für ein Tag! Mein Freund und Ex-Kollege begleitete mich heute zum ersten Stadionbesuch seit Jahren, den er und seine Frau mir im Frühjahr zum Geburtstag geschenkt hatten. Ein Spiel Deiner Wahl hieß es, meine Wahl fiel auf das heutige Spiel gegen Ärzgebirge Aue. Das war eins der wenigen Samstagsspiele, zu denen man bequem mit dem Wochenendticket an- und vor allem wieder abreisen kann. Zudem war Aue auch ein Gegner, gegen den man sich etwas ausrechnen konnte.
So standen wir um kurz nach acht am Andernacher Bahnhof und ich freute mich tierisch, endlich mal wieder TIEF IM WESTEN im Stadion live mitzusingen. Es fing ganz harmlos an, der RE5 war fast pünktlich, wir fanden noch zwei freie Sitzplätze, und liefen mit nur zehn Minuten Verspätung in Kölle ein. Dort hatten wir planmäßig zwanzig Minuten Aufenthalt, blieben also noch zehn. Genug, um von Gleis 1 zu Gleis 4 zu wechseln und unterwegs im Bahnhof Getränke zu holen. Pinkeln wäre wegen der wie immer defekten Zugtoiletten im RE5 auch gut gewesen, aber McClean verlangt für einmal strullern 1 Euro, da kniff ich lieber alles zusammen und hoffte auf eine funktionierende Toilette im RE1 nach Hamm/Westfalen.
Auf Gleis 4 angekommen, sah alles gut aus, fünf Minuten Verspätung wurden gemeldet, geschenkt. Zwei Minuten vor Eintreffen des Zuges dann die Durchsage, dass der RE1 heute ausnahmsweise nicht auf Gleis 4, sondern auf Gleis irgendwas einfährt. Ausnahmsweise! Mich würde wirklich interessieren, ob der RE1 in 2018 schon einmal pünktlich auf Gleis 4 abgefahren ist.
Wir standen nahe an der Treppe, flitzten sofort hinunter und auf Gleis irgendwas wieder hoch. Der Zug stand schon da, war ziemlich voll und wir stiegen in den erstbesten Wagen ein. Als wir merkten, dass wir in der ersten Klasse waren, wollten wir in den nächsten Wagen, doch da stauten sich bereits Massen, die durch die nächste Tür reinströmten. Durchkommen nur unter erschwerten Bedingungen möglich, also unter Einsatz der Ellenbogen. Am Ende der 1.Klasse im Durchgang waren links und rechts je 2 Sitze mit dem Rücken zur Wagenwand, da hockten wir uns erstmal hin und wollten warten, bis sich die Lage beruhigt hat. Aber wir staunten nicht schlecht, als noch minutenlang unzählige Völkerscharen an uns vorbei von der 1. in die 2.Klasse strömten nach dem Motto: Einfach weiter drücken und Drängeln, irgendwie passen wir rein. Kurz nachdem sich der Zug in Bewegung setzte, riss der Strom ab, wir konnten jedoch durch das Türfenster sehen, dass der Vorraum des nächsten Waggons extrem überbevölkert war. Also beschlossen wir, sitzen zu bleiben, in der 1.Klasse war gähnende Leere und wir saßen ja im Durchgang. Wenn der Kontrolleur drauf besteht, würden wir halt aufstehen und uns durch die Tür in die 2.Klasse drängen, 2 Meter Luftlinie.
Es kam niemand, uns gegenüber hatten sich zwei ältere Damen gesellt, die sich auch nicht in den Pulk drängeln wollten. Mein Kollege versuchte zwischendurch, die wahrscheinlich einzige funktionierende Toilette direkt hinter der Tür zur 2.Klasse zu besuchen. Vergeblich. Klo besetzt und fünf Wartende davor. Kein Durchkommen. Meine Blase hatte ich mittlerweile mental komplett verschlossen, die würde bis Bochum halten. Kurz vor Bochum stand dann eine streng gescheitelte Bahnbedienstete vor uns. Eine der beiden Damen gegenüber machte sich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub. Die andere wurde belehrt, dass sie mit dem ungültigen Ticket eine Falschfahrerin sei. Sie machte gar nicht erst den Versuch, sich gegen das 60-Euro-Knöllchen zu wehren. Dann waren wir an der Reihe. Ich hatte bereits meine Jacke angezogen und wollte die 2 Meter nach drüben gehen, da erklärte sie mir, das könne ich mir sparen, wir seien Falschfahrer und würden nun belangt. Ich versuchte alles, um sie zu umzustimmen, aber da hätte ich auch mit der Parkuhr reden können. Keine Gnade, keine menschliche Regung zu erkennen. Direkt zahlen lehnte ich ab, also mussten wir unsere Ausweise vorzeigen und ich bekam ein Schwarzfahrerticket zu 60 Euro aufgedrückt, die Personalien meines Kollegen wurden ebenfalls aufgenommen. Das Ticket bekam er nicht mehr, weil wir in Bochum ausstiegen.

Wo gibt es sowas noch? Im City-Café Bochum!

Scheiß drauf, wir waren in meiner zweiten Heimat angekommen und machten uns sofort auf den Weg in die Innenstadt zum City-Café. Das liegt auf dem Weg zum Stadion und ist seit langem Pflicht bei Stadionbesuchen. Ich fühlte mich dreißig Jahre zurückversetzt. Hier ist alles geblieben wie immer. Mein Begleiter sprintete sofort in den Keller zur Toilette und strahlte erleichtert, als er zurückkam. Das war kurz vor knapp.


Nach dem Verzehr von Apfelstrudel mit (Diät-)Schlagsahne und Espresso/Cappuccino beschlossen wir, nochmal ein Stück zurück zu gehen und im Fanshöpchen zwei einfache Sitzkissen zu erstehen, denn ich erinnerte mich an die kalten Plastikstühle bei 5° Außentemperatur. Nun merkte ich, dass ich lange nicht mehr in Bochum gewesen bin. Ich verfranste mich derart in den Straßen, die von Weihnachtsmarktbuden gesäumt waren, dass ich am Ende überhaupt nicht mehr wusste, wo wir waren. Die Befragung mehrere Einheimischer brachte uns auf den Weg zurück Richtung Bahnhof und links ab an die Castroper Straße, vorbei am Planetarium und dann sahen wir schon die Flutlichtmasten des Ruhrstadions. Ein toller Anblick für mich. Ein bisschen wie heimkommen.
Im Stadion dann Block B, Reihe 14. Mitten unter blau-weißen Ruhrpottlern. Diese Sprache, welcher Wohlklang! Vor Spielbeginn, wie immer, Herbys Hymne.

TIEF IM WESTEN, WO DIE SONNE VERSTAUBT,
IST ES BESSER, VIEL BESSER, ALS MAN GLAUBT
TIEF IM WÄÄHÄSSTEN - EHENN -EHENN -EHENN
TIEF IM WÄÄHÄSSTEN - EHENN -EHENN -EHENN

Gänsehaut pur, wenn man das mit der ganzen Kurve singt. Und dann vor dem Anpfiff ein Konfettiregen in der Fankurve und auch in unserem Block direkt daneben. Wir wurden regelrecht zugeschneit und die Stimmung war sofort riesig.

Mit Ansage:
Jaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!

Ein furioser Spielbeginn. Anstoß Bochum. Erste Aktion, direkt nach vorne gespielt, Tom Weilandt allein vor dem Auer Torwart - und schießt ihn an! Den lupft der normalerweise mit geschlossenen Augen rein!
Gegenzug Aue, 2.Minute, Schuss - Tor! 0:1! Schock!

Dann ein Spiel zum Beklopptwerden. Wieder mal einer der Tage, an denen die Jungs alles wollen, aber nix gelingt. Immer wieder verspringende Bälle, ungenaue Pässe, unbedrängte Fehlpässe direkt zum Gegner, Flanken hinters Tor. Das sind eigentlich Tage, an denen man fünf Stunden spielen kann und kein Tor schießt. Der Wille ist bei allen unverkennbar. "Kämpfen Bochum Kämpfen!". Die Fans feuern sofort nach dem Rückstand unaufhörlich an und lassen bis zur letzten Sekunde des Spiels nicht nach. Trotzdem geht man mit 0:1 in die Pause.
Der Auer Torwart spielt seit dem Führungstreffer auf Zeit, lässt sich bei jedem Abschlag endlos viel Zeit, der Schiri findet das ok, im Gegensatz zu der Fankurve, die den Torwart jedesmal wüst beschimpft. Auch scheinen einige Spieler von Aue sofort tödlich verletzt zu sein, wenn sie einmal zu fest angeguckt werden, wälzen sich im Todeskampf schreiend über den Rasen - um anschließend innerhalb einer Sekunde von den Toten erweckt zu werden und los zu laufen wie in junger Gott. Der Schiri lässt das alles durchgehen, der macht mich wütend, der blinde Sack!
Nach dem Wechsel eine noch drückendere Überlegenheit, gefühlte 80% Ballbesitz, aber keine vernünftige Flanke. Ein Abseitstor. Und dann kommt Lee! In 57. Minute wird er für den jungen Saglam eingewechselt und sofort kommt mehr System in die Angriffe. Eine Viertelstunde später ist es soweit, Tom Weilandt erzielt den Ausgleich und das Stadion steht Kopf. Regelrecht erzwungen haben die Jungs das, Respekt! Aber in der Schlussviertelstunde will der Siegtreffer trotz aller Bemühungen nicht fallen. Die 90 Minuten sind rum. 3 Minuten Nachspielzeit. Die Kräfte lassen nach. Wir haben uns mit dem Unentschieden arrangiert. Und trotzdem geht es immer wieder nach vorne. Und als die 3 Minuten so gut wie rum sind, keiner mehr damit rechnet, haut Weilandt irgendwie im Strafraum das Ding nochmal in die Maschen. Siegtor! Abpfiff! Das Spiel ist aus!


Tom Weilandt Fußballgott! Und links: Leeeeeee!

Wir können unser Glück kaum fassen, ich falle mir mit meinem Sitznachbarn, einem älteren Bochumer Original, um den Hals, wildfremde Menschen umarmen sich, unbeschreibliche Szenen auf dem Platz und auf den Rängen. Mal wieder wein Herztodspiel, wie ich schon so viele hier erlebt habe, nur wenige mit gutem Ausgang. Wir verabschieden uns noch mit Applaus von den Spielern, die vor der Kurve und Block A/B die LaOla machen. Mensch, was geht's mir gut!


Das Spiel ist AUS AUS AUS! Der Dank an die Fans.

Mein Begleiter beglückt noch einmal die Keramik im Stadion und dann marschieren wir zurück zum Bahnhof, inmitten glücklicher VFL-Fans. Unser Zug fährt fast pünktlich ab, wir achten peinlich genau darauf, in die richtige Klasse einzusteigen. Im Zug überfällt meinen Kollegen kurz vor Köln der ultimative Harndrang. Wir können ja im Bahnhof. Durch die Verspätung nur noch 8 Minuten Aufenthalt. Sollte reichen. Runter zum McClean. Scheiß auf den Euro. Collega hat kein Kleingeld. Ich geb ihm ein 2-Euro-Stück. Er geht zum Drehkreuz, um festzustellen, dass man nur 1-Euro-Münzen einwerfen kann. Mist! Dann halt im Zug!
Zurück aufs Gleis 9 D-G. Dort die Mitteilung, dass der Zug diesmal auf Gleis 7 abfährt. Kölle halt. Treppe runter, Treppe rauf. Auf Gleis 7 steht nix von unserem RE5. Dann die Durchsage, dass er doch auf Gleis 9 abfährt. Husch husch zurück. Als wir einsteigen, hat der Kollege bereits ein ganz verkniffenes Gesicht. Ich glaube, irgendwas tropft ihm aus den Ohren. Schnell mit der Jacke den Sitzplatz sichern und dann flitzt er schon los. Als er zehn Minuten später wiederkommt, hat er ein glückseliges Lächeln im Gesicht.

Zufrieden und glücklich - trotz Deutsche Bahn

Nun meldet sich auch meine Blase wieder. Mein Begleiter berichtet, dass er sich durch unseren und durch zwei weitere überfüllte Wagen quetschen musste, um den ersten funktionierenden Klo zu finden. Ich, nicht dumm, wähle den Weg in die andere Richtung. Zwei Wagen und somit zwei defekte Klos weiter stehe ich vor der 1.Klasse. Nochmal 60 Ocken nur für Pinkeln will ich nicht riskieren und mache kehrt. Zwei Wagen zurück, weitere zwei Wagen in die andere Richtung finde ich eine freie und funktionierende Toilette. Deutsche Bahn, wie sie leibt und lebt. Aber für zwei Meter zu weit weg sitzen 60 Oere pro Nase verlangen. Das zum Thema "Verhältnismäßigkeit der Mittel".

Aber jetzt ist aller Mist vergessen und vorbei. Es bleibt der schöne Moment, den ich nun daheim auf meiner Couch genieße. Und ein Dank an meine edlen Spender. Ein tolles Geschenk!

17 November 2018

Wasser und Liebe

Das sind zwei wichtige Voraussetzungen, um ein (Über-)Leben auf diesem Planeten überhaupt möglich zu machen. Dass eine junge Frau das in die Hand nimmt und einfach "macht", daraus ein Konzept für ein gemeinnütziges Unternehmen bastelt, ist mutig und vorbildlich. Heute Abend stellte Natalie in der Andernacher Mittelrheinhalle ihr neu gegründetes Unternehmen WaterLove vor.
Positiv auffällig war der große Anteil an jungen Menschen im interessierten Publikum. Die Presse war auch vertreten, ebenso wie Dr. Christoph Henrichsen, ein engagierter Stadtrat. Und einige Freundinnen und Freunde waren dabei, die Natalie auf diesem Weg unterstützt haben und dies auch weiter tun wollen.

Sie stellte sich zuerst vor und erzählte, wie es überhaupt zu diesem Schritt der Unternehmensgründung kam. Mit einem Spaziergang am Rheinufer hat es angefangen, der für sie stets ein "kleiner Urlaub" war und ist. Plötzlich fiel ihr auf, wie viel Müll und Unrat am Ufer rumliegt - und es störte sie. Sie packte an, organisierte wenig später die erste Aufräumaktion mit freiwilligen Helfern, die Andernacher R(h)einheit. Je mehr sie sich darüber informierte, was sie gegen den Müll machen kann, desto tiefer stieg sie in die Hintergründe und Ursachen ein. Schnell wurde ihr bewusst, dass es viel zu tun gibt, von der Ursachenbekämpfung bis zur Schadensbegrenzung. Nach zahlreichen Aktionen, nicht nur in Andernach, wurde ihr klar, dass sie das nicht mehr alles in ihrer Freizeit bewältigen kann. So kam es letztendlich zur Gründung von WaterLove.

Am Ende des Vortrags
Nach einer kurzen Pause stellte Natalie die konkreten Schritte, Projekte und Visionen vor, die sie angehen wird und für die sie um Mithilfe wirbt. Ich muss sagen: Wow - da packt es jemand an! Nach dem Motto "Nicht nur meckern, sondern machen!" werden in nächster Zeit einige sehr interessante Dinge anlaufen. Von ihren für 2019 geplanten monatlichen Reinigungsaktionen mit Stadt, Schulen und Unternehmen über die bereits existierende Recycling-Lösung für Zigarettenkippen (von deren Gefährlichkeit und dem Ausmaß ich vorher nichts ahnte) und dem Pfandsystem für alte Autoreifen bis zur Vision der Auffangnetze an Brücken - die Frau geht die Dinge an!
Ich habe das Gefühl, dieser Abend hat bei allen Besuchern Wirkungen hinterlassen, und bin mir sicher, dass Natalie heute weitere Unterstützer gefunden hat. Ich wünsche es ihr - und bin natürlich dabei.

11 November 2018

Lesung im Schlösschen

Wir - auf einem Plakat - schon wieder!

Das Schlösschen im Park der Barmherzigen Brüder in Saffig wurde kürzlich renoviert und seiner neuen Bestimmung als Kulturort übergeben. Ein schöner geschichtsträchtiger Ort, in dem mein Halbgroßneffe vierten Grades uns eine tolle Führung durch die Historie gab. Anschließend bekamen wir die Chance, aus unseren Werken vorzulesen.
Nach unserer ersten "offiziellen" Lesung vor lebendigem Publikum in der Kulturnacht  konnten wir uns heute beim zweiten Gig eigentlich schon wie routinierte alte Hasen fühlen.
Dass hier der Wunsch Vater des Gedankens war, bemerkte ich etwa zehn Minuten vor dem Start unserer Lesung. Ich hatte mich bereit erklärt, als Erster zu lesen, und staunte nicht schlecht, als ich die voll besetzten Reihen sah. Mit so viel Resonanz hatten wir alle nicht gerechnet.

Pascal (Halbgroßneffe) und Gabi - die Routiniers


Pascal eröffnete für das Haus die Lesung, Gabi moderierte gewohnt gut und routiniert an, und dann saß ich schon da und durfte eine Episode aus dem "Haus der Glücklosen" vortragen.

Ich - allein vor Publikum

Die Nervosität verflog, als ich das Gefühl hatte, mein Vortrag kommt beim Publikum an. Ich konnte ich mir sogar an der ein oder anderen Stelle das Lachen nicht verkneifen, aber das nahm mir wohl keiner für krumm. Ich wurde mit Applaus bedacht, so wie auch alle Anderen aus dem Kurs, die sich anschließend trauten, aufzutreten.
Nach vier Vorträgen wurde eine Kaffee- und Pinkelpause eingelegt, und in dieser bekam ich sehr positive persönliche Rückmeldungen aus dem Publikum, das fühlte sich richtig gut an. Auch die nächsten vier Vorleser ernteten Applaus, und ich hatte das Gefühl, dass wir das Publikum wirklich erreicht hatten.

Ich setzte anschließend das Trio Ollisabella unversehrt daheim ab und bin seitdem im Chill-Relax-Status mit einer selbstgemachten Käse-Lauch-Mett-Suppe, gutem Espresso und The Voice of Germany.

10 November 2018

Zwischen Elektronenpaaren und Quantenmechanik

Der diesjährige Besuch der "Nacht der Technik" im Technologiezentrum der Hwk musste leider ohne Fabi stattfinden, die dem Terminstress Tribut zollen musste. Kumpel Mike T-Bone war jedoch wieder dabei, und wir haben viel Interessantes zu sehen und zu hören bekommen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre verkürzten wir diesmal unser Programm ein wenig, denn unsere maximale Aufmerksamkeitsspanne hat sich in den letzten Jahren reziprok zum Lebensalter entwickelt.
Eine super Eröffnung war um 16:15 die Präsentation der senseBox, welche von der Uni Münster in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen entwickelt wurde. Eine digitale Umweltsensor-Box zum Selbstbauen und selbst programmieren, alles auf OpenSource-Basis, verbunden mit einem Konzept für Schulen. Ich werde mal an den Andernacher Schulen nachfragen, ob man da bereits mit dabei ist.
Weiter ging es mit Klaus Völkel, dem Betreiber der Sternwarte in Sessenbach, der uns allerhand Wissenswertes über die großen Events am Himmel vermittelte, die Sonnen- und Mondfinsternisse, die uns bald wieder bevorstehen.
Danach schnappten wir etwas frische Luft und gönnten uns eine Stärkung in der Mensa. Dann wurde es lustig, ein holländischer Forscher präsentierte auf sehr amüsante Weise verblüffende Parallelen zwischen Elektronenpaaren und menschlichen Paaren, wobei er gerade bei der technisch notwendigen Trennung dieser (Elektronen-)Paare auf einen reichlichen persönlichen Erfahrungsschatz bzgl. menschlicher Paare zurückgreifen konnte.

Beziehungen von Paaren aller Art
Danach benötigten wir dringend eine Koffeinspritze, die wir uns an der Kaffeebar im 2.Stock gönnten. Sowohl Kaffee als auch Espresso waren suboptimal, was den positiven Gesamteindruck nicht trüben sollte.

Brain Ticket beim Kaffee
Die Krönung des Abends kam um 20:30, als Prof. Dr. Hendrik Bluhm uns einige Takte zum Quantenmechanischen Computer erzählte. Ich hab einiges verstanden, hatte aber hinterher mehr offene Fragen als zuvor. Wow! Der Saal war richtig voll, an den Rändern und hinter der Bestuhlung standen die Zuhörer in mehreren Reihen. Wir wurden in ein Paralleluniversum entführt, irgendwo zwischen Schrödingers Katze und Douglas Adams' "42". Unfassbar, was dieb Quantenphysiker mittlerweile wissen:
Dass z.B. in 300 QuBits mehr Informationen stecken als das Universum Atome hat. HÄÄ !?!?!
Oder dass man, wenn man mal 100 QuBits vernetzt am Laufen haben sollte, sich Anwendungen ausdenken muss, für die es überhaupt Sinn macht, mit dieser Power zu arbeiten. 42 eben.
Frische Luft macht den Kopf wieder frei - hoffentlich
Nach dem Ende des Vortrags gleicht mein Kopf einem großen ungelösten Problem. Heavy duty brain overflow. Wir beschließen, diesen tollen Abend damit ausklingen zu lassen und zu versuchen, wieder beide Beine auf den Boden zu kriegen.




31 Oktober 2018

Es ist vollbracht


Keine Atempause, Geschichte
wird gemacht - es ist vollbracht!

So habe ich mich heute mittag gefühlt, als ich heute Mittag nach der problemlosen Abnahme der alten Wohnung im Auto saß und in Richtung meiner neuen Heimat unterwegs war. Laut singend, grölend, Urschreie ausstoßend - schade, dass der alte Gassenhauer von Fehlfarben nicht grad im Radio lief, das hätte genau gepasst.



Tausend Steine plumpsen runter, der selbstgemachte Stress der letzten Wochen ist vorbei. Die vielen noch nicht ausgepackten Kisten und Kasten im neuen Heim jucken mich überhaupt nicht. Fünfzehn schöne Jahre in der alten Wohnung gehen zu Ende - und ich vertraue auf (mindestens) genau so viele schöne Jahre in der neuen Umgebung.
Zur Belohnung gönn ich mir bei Scheunemann zwei paar neue Schuhe, die alten, bequemen Dauerlatschen sind so schlimm malträtiert, dass sie nur noch als zukünftige Dreckarbeitsschuhe dienen werden. Was bedeutet, dass ich sie hoffentlich nie mehr anziehen muss. Ein guter Espresso (ok, zwei) und eine Nussecke der besten Bäckerin der Region versüßen mir den erfolgreichen Tag. Dann muss der Monteur für eine halbe Stunde den Strom abstellen, damit die PV-Anlage ans Netz geklemmt werden kann.
Mein kleiner Lieblingsbruder bringt mir netterweise nicht nur das Rezept der Ärztin unseres gemeinsamen Vertrauens vorbei, sondern hat es auch direkt in der Apotheke eingelöst. Kurz bevor er kommt, verbrutzelt der Monteur zwei Hauptsicherungen beim Versuch, den Strom wieder einzuschalten. Mir schwant nichts Gutes. Er fährt nur schnell in die Firma (um die Ecke), um zwei neue Sicherungen zu holen. Nach einer halben Stunde des Wartens fällt mir auf, dass die Heizung ohne Strom auch nicht mehr läuft. Es wird dunkel, es wird kalt. Mein Bruder will im Dunklen Kalten auch nicht bleiben. Mir schwant Übles.
Die Elektriker tauchen auf, wollen im Vorderhaus Kabel verlegen. Keiner Zuhause. Mist. Ich frage vorsichtshalber nach Sicherungen, da ich irgendwie ahne, dass genau die gesuchten Sicherungen in der Firma des PV-Monteurs grad nicht vorrätig sind. Morgen ist Feiertag. Mein Haus ist kalt und dunkel. Genau diese Sicherungen haben die Elektriker natürlich nicht im Auto. Nach einer Viertelstunde des Wartens fahren sie wieder heim und wollen am Montag weitermachen.
Zum Glück kommt die Freundin im Vorderhaus zehn Minuten später nach Hause und gewährt mir Warm-und-Tee-Asyl. Nach einer Stunde taucht der PV-Monteur wieder auf und versichert mir, dass ich gleich wieder Strom und Wärme im Haus habe. Eine Stunde später ist er immer noch am Werk, während ich gemeinsam mit den Freunden im Vorderhaus Tee schlürfe. Das kann doch nicht gut gehen.
Als ich dann nach hinten gehe, um zu sehen, ob der Monteur noch lebt, sehe ich schon von außen Licht hinter dem Fenster. Jubilee! Ich spüre die Wärme der Heizung, als ich das Haus betrete. Auch der Monteur lebt. Er räumt gerade zusammen und verabschiedet sich. Der hatte sich wahrscheinlich auch was Schöneres zum Feierabend vorgestellt als diese Aktion. Eine Stunde später, nach einem leckeren Frosta-Gemüsetopf und zwei weiteren Espresso, schlafe ich friedlich vor der TV-Fußballübertragung im Sessel ein. Nun ist doch alles gut.

28 Oktober 2018

Im Endspurt: Das Universum hilft weiterhin

Als vorgestern klar wurde, dass die alte Küche in der alten Wohnung abgebaut werden musste, wurde es nochmal richtig eng. Ich kann keinen Herd abklemmen. Das Universum griff wieder ein:
Gestern, Samstag, hatte ich morgens vereiste Autoscheiben. Beim Einstecken des Schlüssels ins Zündschloß komme ich mit dem Arm gegen den Hebel für den Scheibenwischer. Ein knirschendes Etwas zuckelt über die vereiste Scheibe, bis zur Mitte, dann kracht es kurz und der Wischer fährt zurück. Ach Du Scheiße, nicht das jetzt auch noch! Ein Anruf in der Werkstatt meines Vertrauens beruhigt mich. Der Inhaber, mit dem ich seit Jahren freundschaftlich verbunden bin, hat nachmittags in meiner Nähe einen Kundentermin und sagt zu, vorher vorbei zu kommen und sich das anzuschauen. Als er kommt, ist das Problem schnell erkannt und behoben. Ich zeige ihm kurz mein neues Domizil, es gefällt ihm. Dann fragt er, ob ich noch Hilfe brauche. Die hat er mir vor Wochen schon angeboten. Da ich jedoch um seinen 14-Stunden-Tag weiß, hab ich ihn nicht gefragt. Ich erzähle ihm, dass ich übermorgen, Montag, die Küche abschlagen will und dass ich nur noch jemand brauche, der den Herd abklemmt.
Genau sein Metier. Da er an allen Tagen außer Sonntag mehr als ausgelastet ist, bietet er mir an, mit dem Werkzeugkoffer am morgigen Sonntag vorbei zu kommen und mit mir die Küche abzubauen. "Du weißt, doch, dass ich Elektrisch kann. Ich bring den Akkuschrauber mit, Du wirst sehen, wie schnell das geht!" Ich bedanke mich für das Angebot und bitte um Bedenkzeit, weil ich die Küche eigentlich erst für Montag vorgesehen hatte.
Um es kurz zu machen: Ich habe sein Angebot angenommen und wir haben heute nachmittag nicht nur die komplette Küche abgebaut, sondern alles, was auf den Sperrmüll kommt, aus der Wohnung und aus dem Keller getragen. Wir haben alles von Wänden und Decken abmontiert, was dran war. Regale, Garderoben, Gardinenstangen, alles. Und wir haben den Herd, die Spülmaschine, die Dunstabzugshaube in mein Auto geladen, die ich morgen früh direkt entsorgen kann. Morgen wird die Wohnung komplett leer werden, übermorgen wird sie sauber gemacht, so dass am Mittwoch, dem 31.10., spätnachmittags die Abnahme erfolgen kann. Morgen kommt mein lieber Großneffe vorbei und ersetzt das defekte Eckventil vom Spülmaschinenanschluss.
Panta Rhei -> Alles ist im Fluss. Und es fließt gut. Das wäre alles nicht so gelaufen, wenn ich nicht am Samstag Morgen mit dem Arm aus Versehen den Scheibenwischer betätigt hätte. So stelle ich mir jetzt den Butterfly-Effekt vor, kleine Ursache -> große Wirkung.
Auf ähnliche Art und Weise hat mir das Universum bereits den Fahrer des großen Umzugswagens organisiert und auch den Schlafzimmerschrank-Ab-und-Aufbauer (siehe letzten blog-Eintrag).


Danke, Freunde! Danke, Universum!

14 Oktober 2018

Neuland

Die erste Nacht im neuen Haus. Ein Umzug der seltsamen Art. Seit Monaten kenne ich den Termin, Kriege es aber nicht geregelt, rechtzeitig alles aussortiert und gepackt zu haben. Hab mich lange wohl gefühlt dabei, keinen Stress zu haben, trotz aller mahnenden Worte aus dem Freundeskreis. Daher wurde es jetzt nochmal richtig eng.
Ein weiteres Problem: Ein Großteil vom Freundeskreis ist auch ungefähr in meinem Alter angekommen, plus/minus 10 Jahre, und hat dementsprechend wahlweise Rücken, Schulter, Herz oder ähnliches. Ich laufe selbst seit Wochen mit Wärmepflaster auf dem Rückgrat rum.
Und so wurde es eine anstrengende Zeit, die noch bis zum Monatsende andauert. Aber der Hauptakt ist heute geschafft. Die großen Teile, die mitkommen sollen, sind alle angekommen.
Einige Helfer hat mir dabei der Himmel geschickt. Wirklich seltsam war das. Ich sitze in der alten Wohnung, erkenne ein ungelöstes Problem, denke "Scheiße, das wird nix!", und 10 Minuten später klingelt das Telefon oder piepst das Handy und meine Retter sind dran, speziell für dieses unlösbare Problem.
So wurde der heutige Tag zum Erfolg, ich liege in meinem alten Bett in meinem neuen Domizil, neben dem aufgebauten Kleiderschrank.
Ich habe heute den toten Punkt überstanden, an dem ich mich nur noch zum Sterben unter die Kommode legen wollte. Und mein Kumpel Mike T-Bone hat die letzten Tage wacker all meine Spezialitäten ertragen, wenn ich mitten im Packen wieder anfing, ganze Papierstapel korinthenkackerisch Blatt für Blatt auszusortieren, obwohl der Tag X immer näher rückte, an dem alle Großmöbel leer geräumt sein mussten. Heute morgen um halb eins wurden wir fertig, um 9 begann der Umzug. Und wir hatten ca. 15 große Kartons voll Altpapier aussortiert.
Was nicht funktioniert: Telefon und Internet. Ich habe den Umzug bei Vofasfone/Kabel vor 2 Monaten angemeldet und das ok bekommen. Noch Fragen? Immerhin geht der Fernseher.

Langsam komme ich zu Ruhe. Ich freu mich auf das erste Frühstück im neuen Haus. Besser Spätstück, morgen ist das hier weckerfreie Zone.

04 Oktober 2018

Rocky ist tot!

Schon die Internetmeldung traf mich vorgestern Abend ziemlich unverhofft. Da sie jedoch von dem Lügenblatt mit den vier Buchstaben kam, hab ich sie für ne Ente gehalten. Ich wollte sie für ne Ente halten, besser gesagt. BLÖD lügt ja fast immer. Als ich dann heute morgen die Rhein-Zeitung zum Frühstück aus dem Briefkasten holte, musste ich kurz die Luft anhalten. Da stand es - schwarz auf weiß:

Rocky stirbt bei Autounfall

Auf der letzten Seite dann ein ausführlicher Bericht, den ich heute morgen gar nicht lesen konnte. Den ganzen Tag über schwelte etwas in mir, immer wieder tauchte das zerbeulte, alte Gesicht vor meinem geistigen Auge auf. Was zum Teufel verbindet mich denn mit diesem Kerl, den ich nur aus dem Fernseher kannte? Was liegt mir an so einem, der ein Leben voller Exzesse und Skandale geführt hatte? Wieso berührt es mich so, dass gerade er den Löffel abgegeben hat?

Mach's gut, Rocky!

Er betrat die Boxbühne 1983, wurde 1985 erstmals deutscher Meister und somit auch im Fernsehen populär, als ich gerade anfing, mein verbeultes Leben wieder in gerade Bahnen zu lenken. Ich habe ihn bewusst nur ab der Zeit erlebt, als ich meine großen Exzesse hinter mir gelassen hatte. Da zeigte mir einer, dass es auch in einem Leben auf der Überholspur schöne Momente gibt. Zumindest schien er sich dort wohl zu fühlen. Er rotzte jeden an, der ihm was anderes erzählen wollte, schlug ständig über die Stränge. Wie oft dachte ich: "Junge, Du hast den tiefen Teller wirklich nicht erfunden, halt doch wenigstens die Klappe!" Aber er haute immer alles raus, so wie es kam. Aus den Fäusten wie aus dem Mund. Das hat mir trotzdem imponiert. Ich hab ihn stets als ehrlich und authentisch erlebt, wie falsch das auch manchmal war, was er in Interviews so von sich gab.

Wie schlimm war es, als es dann Niederlagen gab. Gegen Maske, gegen Darius. Wie er sich in all diesen Kämpfen bis zum letzten Atemzug gewehrt hat, auch wenn er chancenlos war. Einer, der immer wieder aufstand, so lange man ihn nicht tot schlug. Im Ring wie im Leben. Und einer, der immer wieder hinfiel. Der Straßenköter unter den Boxern.

Wie erbärmlich wirkte dagegen Henry Maske auf mich, der sich als der intelligente Gentleman-Boxer aufzuspielen versuchte, obwohl er in meinen Augen auch nicht mehr Grips in der Rübe hatte als Rocky, sich aber anders verkaufte. Wie schlimm waren Rockys beleidigende Sprüche vor dem Kampf gegen Darius Michalczewski. Und wieder dachte ich: "Red doch nicht so einen Mist!" Und trotzdem mochte ich ihn.

Und als er nach dem Karriereende plötzlich in einem Videospot gegen Gewalt auf der Straße im Fernsehen den Mund aufmachte, wie er den Jungs auf den Kopf zusagte, dass sie erbärmliche Feiglinge sind, wenn sie zu dritt einen Einzelnen vermöbelten. Wie er sagte, sie sollen ins Box-Gym kommen und dann Mann gegen Mann kämpfen, dem Gegner ins Auge sehen, wenn sie echte Kerle sein wollten. Als dieser Mann mit dem damals schon verbeulten Gesicht das sagte, war ich mir sicher, dass er viele jugendliche Gewalttäter damit erreicht.

Dann über Jahre nur noch Meldungen von entzogenen Führerscheinen, Knast, zwischendurch wieder berappeln, ein neues Gym planen, um dann wieder abzustürzen. Das tat mir nur noch leid für ihn.

Und nun ist er weg. Für immer. In meinem Herzen wird er bleiben.

23 September 2018

Sauberes Essen in Andernach

Seit einigen Wochen ist mir der samstägliche Gang zum Andernacher Wochenmarkt zur liebgewonnenen Gewohnheit geworden. Ich hab gerade nachgeschaut, am 14.Juli habe ich den Wochenmarkt nach langen Jahren erstmals wieder besucht. Eigentlich hab ich mich mit Natalie getroffen, um einen möglichen freien Stellplatz für unsere Nachhaltigkeits-Aktion zu checken. Vom Markt selbst hatte ich nach den Erfahrungen früherer Jahre nicht viel erwartet. Damals, vor einigen Jahren, hielt ich vergeblich nach ungespritztem Obst oder Gemüse Ausschau, nach Eiern von glücklichen Hühnern, von Wurst und Käse aus artgerechter Haltung ganz zu schweigen. Diesmal war ich überrascht, auf der Ecke Kramgasse meine Kollegin Brigitte mit Ihren Mineralien und Steinen zu finden, daneben handgemachte Naturseifen aus Plaidt. So etwas hatte ich hier gar nicht erwartet.
Der Stellplatz, den wir eigentlich gesucht hatten, war schnell abgehakt, der war nicht da, weil viele Stände den Marktplatz bevölkerten. Stattdessen nahmen wir uns spontan vor, die Stände nach sauberen Lebensmitteln abzusuchen.

Ok, es gibt sie immer noch, die gespritzen Äpfel, die chemisch gedüngten Zucchini und auch die todunglücklichen Eier aus Käfighaltung, sogar sehr preiswert. ABER - es gibt auch die anderen, die ich seitdem jede Woche aufsuche. Es gibt die unbehandelten Tomaten aus der Grafschaft, Wurst und Fleisch vom BIOLAND-Hof an der Mosel, BIO-zertifizierte Ziegen- und Kuhkäse aller Arten vom Rech-Hof aus der Grafschaft und seinen Partnern.

Die Stände vom Rech-Hof und vom BIO-Hof an der Mosel

Und so lustwandelte ich auch gestern morgen wieder mit Vergnügen auf lukullischen Pfaden. Meist stehen meine Favoriten an der Ecke zur Schafbach hin. Bei der netten Walli vom BIO-Hof Althaus-Zell hat es mir die grobe Salami angetan, da könnt ich mich reinsetzen. Auch der mildgeräucherte Schinken ist ne Wucht, alles vom Bentheimer Landschwein, einer alten Rasse, die auch auf unserer Permakultur gehalten wird. Und bei der Verarbeitung der Blutwurst räumt sie mir mittlerweile sogar ein gewisses Vorschlagsrecht ein, die doppelt geräucherte dunkle Blutwurst könnte eines Tages Realität werden.

Auch bei Herrn Kupka vom Rechhof fühle ich mich ausgesprochen gut aufgehoben. Den Ziegenfrischkäse in verschiedenen Zubereitungen sollten sie probieren, ebenso den halbfesten mit Bockshornklee oder Kräutern. Beim Schnittkäse hat es mir die sizilianische Zubereitung angetan, nachdem ich mich mal durch fast alle Sorten durchprobiert hatte in den letzten Wochen.

unbehandelte Tomaten

Die unbehandelten
Tomaten liegen noch bei mir zu Hause und warten auf den Geschmackstest.
Hier gibt es kein BIO-Zertifikat, aber ehrliche Verkäufer, die mir Wochen vorher auf meine Frage hin auch erklärten, dass sie diesmal nur gespritzte Tomaten dabei hatten.


Saadet zeigt: BIO macht lustig!

Und - nicht zu vergessen - ein paar Meter weiter in der Kramgasse 19 bietet Saadet Duran mit ihrem Mann Ali seit mehr als 2,5 Jahren neben Konventioneller Ware aus der Region auch ein reich gefülltes Regal mit BIO-zertifizierten Produkten an. Hier bekomme ich auch die glücklichen Eier von freilaufenden Hühnern, ebenfalls BIO-zertifiziert.
Ich finde, das ist ein guter Anfang für alle, die sich bewusst ernähren und denen artgerechte Tierhaltung wichtig ist. Und ich habe die Hoffnung, dass die Nachfrage diesbezüglich auch in Andernach weiter steigt, damit noch weitere nachhaltige Anbieter dazu kommen, auf dem Markt und in der Stadt. Leerstehende Geschäfte, in denen sich das realisieren ließe, haben wir genug.

22 September 2018

Andernacher R(h)einheit

Jetzt geht's gleich los

Gestern veranstaltete Natalie Karij bereits zum fünften Mal die Aktion "Andernacher R(h)einheit", bei der freiwillige Helfer das Andernacher Rheinufer von Müll und Unrat befreiten. Trotz des schlechten Wetters kamen mehr als 30 Helfer zum Ufer, und die schlimme Ausbeute konnte sich hinterher sehen lassen.

Mit der Unterstützung vom Bauhof der Stadt Andernach und von einigen Andernacher Firmen war die Aktion ein Erfolg. Was die fleißigen Helferlein in drei Stunden alles am Ufer fanden, wurde in bereitgestellte Container und Tonnen gefüllt.


Was so alles in den Rhein geworfen wird

Vom Fahrrad über Glas, Metall, sehr viel Plastikmüll bis  zum Verkehrsschild war alles vertreten, und zwar in großen Mengen. Kaum zu glauben, dass nach der letzten Aktion vor ein paar Monaten das Ufer blitzsauber war.
Nach der Aktion kamen alle Teilnehmer hoch zur Stadthausgalerie, wo man sich mit gespendeten Speisen wie Kuchen, Pizza und Obst stärken konnte und im Anschluss einige Preise unter den Teilnehmern verlost wurden.


Ich war persönlich zum ersten Mal unterstützend mit dabei und kümmerte mich überwiegend um unsere gemeinsame Idee, einen Info-Markt zum Thema Nachhaltigkeit. Der fand zum ersten Mal im Rahmen von Natalies Aktion statt und wir hatten ihn wegen des angekündigten Regens vom Rheinufer in die Stadthausgalerie verlegt. Hier war die Frequentierung nicht so hoch, wie wir erhofft hatten, was wohl auch dem Wetter und dem Freitagnachmittag geschuldet war. Nichtsdestotrotz haben wir viele Gespräche mit interessierten Menschen geführt, auch der Kontakt der Aussteller untereinander war gesucht. Denn es waren viele Aussteller versammelt, die sich allesamt der Nachhaltigkeit verschrieben haben, jedoch unterschiedliche Bereiche vertreten.

NaBu, Tierarten und Klimaschutz

Der NaBu Mayen informierte über seine Tätigkeit, Matthias Küchler zeigte, welche Tierarten in und um Andernach vom Aussterben bedroht sind. Der Klimaschutzmanager der Stadt Andernach, Andreas Faßbender, präsentierte Wissenswertes aus seiner Tätigkeit, ich selbst hatte eine erste "nachhaltige Einkaufsliste" erstellt.

C2C. KeepGreen u.a.

Burkhard Mosen von TANA erläuterte das Cradle2Cradle-Konzept, nach dem überhaupt kein Müll mehr entsteht, Marco Hackenbruch zeigte mit KeepGreen Photovoltaikmodule fürs Balkongeländer. Er repräsentierte auch die Neue Energie Bendorf eG, die lokale Bürgerenergie-Genossenschaft, welche ausschließlich Strom aus regenerativen Quellen produziert. Auch die FSG mit Willi Stroganoff bot regenerative Energie an. Der REWE-Markt Andernach wurde vom Inhaber Nico Grunert mit einigen nachhaltigen Produkten präsentiert. Carmen Rakemann und Doris Büma zeigten Kunstwerke, die zum Teil aus Müll hergestellt waren. Natalie Karij selbst präsentierte an einem Stand Alternativen zu Plastik und zeigte u.a., wie man Zahnpasta selbst herstellen kann. Auf den kunstvollen Fotos von Johannes Palm konnte man sehr gut sehen, wie unterschiedlich Landschaften mit und ohne Müll aussehen. Für den Weltladen Andernach zeigte Hildegard Bender, dass es dort fast nur ökologisch saubere und fair hergestellte Produkte im Sortiment gibt.

Ein herzliches Dankeschön an alle, die mitgemacht haben. Es wird sicher nicht die letzte Veranstaltung dieser Art gewesen sein.



02 September 2018

Kulturnacht einmal anders

Ja, es IST etwas völlig anderes, ob man sich im bunten Gewusel der Andernacher Kulturnacht von Lesung zu Band, von Kunstausstellung zu Straßengauklern treiben lässt oder ob man selbst aktiv daran beteiligt ist. Diese Erfahrung durfte ich zusammen mit einigen MitstreiterInnen des VHS-Kurses "Schreiben!" machen, da man uns in diesem Jahr die Chance gegeben hatte, unsere Werke selbst zu präsentieren.

Schon lange geplant, wurde dann doch die Zeit immer knapper, die Aufregung immer größer. Lesen? Ich !?! Vor Publikum ?!?!? Oh mein Gott !!!!!!!

Gleich geht's los

Und als vor drei Wochen unsere Dozentin Gabriele Keiser am Kursabend die vorläufige Festlegung der Vortragsreihenfolge einforderte und in die Runde fragte: "So, wer macht den Anfang?", suchte plötzlich die eine Hälfte der Teilnehmer irgendetwas unter dem Tisch, während die andere Hälfte intensiv die Muster an der Zimmerdecke analysierte. Ein langes Schweigen später stellte sie eine Frage an mich, die ich aufgrund eines gleichzeitigen Aussetzers meiner beiden Hörgeräte akustisch nicht verstand und mit "Ja??" anwortete. ZACK! war ich verhaftet und durfte als Erster in der Kulturnacht ran. Eine Szene wie im richtigen Leben.

Volles Haus

Jedoch muss ich gestehen, dass mich seither eine schöne erwartungsfrohe Aufregung begleitete, keine angstmachende Panik. Und der gestrige Abend erfüllte all meine schönen Erwartungen. Es kamen mehr Menschen als erwartet, um uns zu hören. Der kleine Saal war zu Beginn mit fast vierzig Menschen so gut wie "ausverkauft". Ein Stuhl war noch frei, und einige Zuhörer verfolgten das Geschehen im Stehen.
Die Mikrofonanlage stand parat, benötigt wurde sie nicht. Jeder von uns trug seinen Text laut und deutlich vor, alles war gut zu hören. Da wir alle keine Profis sind, ging es natürlich auch mal hier etwas zu schnell, da etwas zu undeutlich, aber das gehört auch dazu und ich hatte das Gefühl, das uns dass auch niemand krumm genommen hat. Ich hatte das Glück, dass die gute Hilde, in der zweiten Reihe des Publikums sitzend, mir in der Hälfte meines Textes dezente Signale "Etwas langsamer bitte!" gab und ich dann meine Drehzahl etwas zurückdrehen konnte.

Carmen an der Kugel

Parallel dazu wickelte Carmen Rakemann ihre große Nagelkugel, ihre Bilder schmückten die Wände während der Lesung, und zu einem Bild erzählte sie uns auch eine schöne Traumgeschichte. Der "vielsaitige" Michael Lohr begleitete uns während der Lesepausen musikalisch, und so wurde es für mich ein richtig rundes Bild.

Engel in der Nacht

Als wir um 22 Uhr das Rheintor verließen, blieb auch noch genügend Zeit für die wunderschöne Obertonmusik von Georg Holtbernd und Ruth Stöcker in der Hospitalkapelle. Diesen Beitrag gönne ich mir stets bei der Kulturnacht. Wenn ich bei dieser Musik die Augen schließe, bin ich mir absolut sicher, dass da vorne Engel singen. Andere Wesen können solche Töne überhaupt nicht erzeugen.

Auf dem Weg durch die Stadt waren auch Engel auf Stelzen unterwegs. Nach einem Pulled-Pork-irgendwas mit irgendwas anderem dabei und einer Appelschorle traten wir zu viert glücklich und müde den Weg zum Bahnhof und zum Auto an. Es war, wie eigentlich immer, ein schöner Abend, diesmal etwas anders als sonst.

26 August 2018

Ausklang mit Huber

Viele Erinnerungen an den gestrigen Abend gehen mir heute morgen durch den Kopf. Ein wirklich schöner und berührender Hochzeitsabend. Mit vielen netten Menschen. Mit originellen Spielen. Mit einer Hochzeitszeitung, zu der ich auch einen Beitrag leisten durfte.

Die Sveny-Family

Mit einem sensationellen Auftritt der Kelly-Nachfolge-Band "Sveny-Family", der mir (letzte Reihe Mitte) viel Freude bereitete (Unsere Beatles-Interpretation "Canadian Wood" kam beim Publikum und beim Brautpaar derart gut an, dass wir eine Zugabe singen mussten!).
Mit leckerem Essen, Espresso und einer guten Sumatra zum Abschluss.

Und mit einem schönen sonnigen Morgen, als ich heute Morgen aufwache und ausgeschlafen bin. Es war Zeit genug, mich gemütlich fertig zu machen, die Sachen zu packen und endlich zum Genuss eines Frühstücks im Cafe Huber zu kommen.

Frühstück im Huber

Anschließend habe ich zwei Stunden Zeit, nochmal durchs Städtchen zu schlendern und dann meinen reservierten Platz im EC einzunehmen, der pünktlich Richtung Koblenz ablegt. Selbst der Verspätungsalarm, den die Bahn mir wieder routinemäßig mailt, tut meiner guten Laune keinen Abbruch. Es könnten sich möglicherweise die Abfahrts- und Ankunftszeiten verschieben, schreiben die Jungs. Ok, in Koblenz kommen wir 3 Minuten zu früh an, vielleicht haben sie das gemeint. Der RE nach Andernach steht schon am gleichen Bahnsteig gegenüber bereit. Alles klappt wie am Schnürchen. Ziemlich tiefenentspannt komme ich an, werfe meine Sachen ins Auto und besuche noch den offenen Hoftag meiner Kollegin für ne Stunde und genieße mit einem Stück Kirschstreusel die Kunstausstellung im Wohnzimmer. Hier habe ich die Gelegenheit, auf einem mandala-ähnlichen Edelstahlmuster Platz zu nehmen und positive Energien durch meinen wohlig müden Körper fließen zu lassen. Auch einige meiner geliebten erloschenen Engel gibt es zu sehen, aber das ist ne andere Geschichte.