16 Dezember 2017

Weltraumschrott in Kirchlinde

Mit einem schönen Frühstück unter netten Leuten beginnt man den Tag am besten. So auch heute morgen in unserem schnuckeligen Hotel. Alles reichlich, nettes Personal, leckerer Kaffee. Derart gut gestärkt und gelaunt machte ich mich auf den Weg in die verbotene schwatz-gelbe Stadt.

Bahnhof Königswall Treppen

Nahe an dem dortigen Hauptbahnhof sollte die Bushaltestelle der 460 sein. Am Königswall. Direkt gegenüber vom Bahnhof führte eine große breite Treppe den Wall hinauf. Das konnte nur der Königswall sein.
Also zackig über die Straße und viele Stufen hoch. Oben empfing mich viel Platz, auf dem ein paar Weihnachtsmarktbuden verteilt waren. Alles, aber keine Bushaltestelle.
Der erste, den ich anquatschte, war ein Norweger, der mir in Englisch erklärte, dass er nur die U-Bahn-Haltestelle kenne, straight ahead and then turn left, you'll see it. Maybe there's a bus stop too. "Maybeee" sang schon der Mann in den Bergen. Maybe, war aber nicht.
Ein paar jüngere Damen hatten leider auch nur Vermutungen für mich übrig. "Ja, die U-Bahn ist irgendwo da vorne, aber ein Bus? Wo wollen sie denn hin? Kirchlinde?? Geht das nicht mir der U-Bahn???"

Aber dann, ein Päärchen meines Alters mit Enkel an der Hand.
"Jaaa, wir sind von hier. Was suchen sie denn?"
"Die Bushaltestelle Linie 460."
"Wohin soll die denn gehen?"
"Nach Kirchlinde."
"Kirchlinde? Mittem Bus? Nehmen sie doch die U-Bahn da vorne!"
"Kirchlinde hat doch keine U-Bahn!"
"Nich? Ja dann wissen wir leider auch nich."

Nach einer Runde durch die halbe Dortmunder Innenstadt kam ich parallel zum Treppenwall wieder zurück vor den Bahnhof. Oh, das erste Straßenschild, das ich in Dortmund sehe, verkündete, dass diese breite Straße vor dem Bahnhof der Königswall ist. Zwanzig Meter weiter rechts die Bushaltestelle 460. Leider in die verkehrte Richtung. Blick auf die andere Straßenseite: Fehlanzeige.
Noch ein letzter Versuch, von zwei jungen Frauen, die am Auto stehen, die Position der Bushaltestelle zu erpressen.

"Ja, die ist doch schräg da drüben vor dem Bahnhof!"
Mein Gott, es gibt also doch noch Gerechtigkeit. Zur Belohnung für meinen großzügigen Spaziergang durfte ich wieder fast zum Ausgangspunkt zurück gehen und feststellen, dass ich zwanzig Meter daneben bei meiner Ankunft aus dem Bahnhof spaziert bin. Aber ich wurde reichlich belohnt. Ein abgerissenes Päärchen mit offenen Bierflaschen diskutierte an der Haltestelle lautstark aus, warum Jessy denn verreckt ist, obwohl der männliche Teil des Duos immer Kohle hatte und ihr jahrelang die harten Drogen finanziert hat. Natürlich braucht er sich keinen Vorwurf zu machen, sacht sie, denn er hat auch immer Kohle genug gehabt, alles Andere zu finanzieren, aber sie wollte datt ja nich, woll?!
In Kirchlinde hatte ich das Vergnügen, den talentierten Fotografen Jalou endlich mal länger live kennen zu lernen, bei Kaffee und Butterstreusel. Ein sehr sympathischer Mensch mit vielen Begabungen, den ich für das, was er macht, ehrlich bewundere.

rostfreie alte Liebe vor Weltraumschrott

Anschließend chauffierte er mich auch noch zu meiner alten Freundin Elke, die ich schon jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Ja, in der Tat ist es schon mehr als fünf Jahre her, dass ich mit Fabi zusammen ihre Ausstellung in Hattingen besuchte.

Seitdem ist bei uns beiden viel passiert und so war die Zeit eigentlich viel zu kurz, um alles Neue zu erzählen und viele alte Erinnerungen und Fotos wieder raus zu kramen. Der Besuch in Heidelberg, 1986. Mein Gott, ist das schon so lang her?!

Sie malt immer noch tolle Bilder, das mit dem Weltraumschrott nahmen wir als Hintergrund für unser Selfie. Dass sie mir ein Wunschbild schenken möchte, berührt mich sehr und ich bin auch total gespannt, wie das "Kreativbild" am Ende aussehen wird. Es wird auf jeden Fall wieder ein Anlass für meinen nächsten Besuch sein.
Gegen sechs machte ich mich auf den Rückweg mit Bus und Bahn. Alle Übergänge funktionierten einwandfrei. Ich glaube, dass ist das Ergebnis jahrelanger Selbstdisziplinierung. Seitdem klar ist, dass ich über Verspätungen, fehlende Wagen und ähnlichen Mumpitz nur noch schmunzeln kann, ist die Anzahl der bahnverschuldeten Malheure um gefühlte 90% zurück gegangen.
Es gelang mir übrigens, den ganzen Tag über alle ungesunden Farbkombinationen in der verbotenen Stadt galant zu ignorieren, meine Augen haben keinen Schaden erlitten.
In der Schwebebahnstation Döppersberg ergatterte ich noch schnell ein Spezial-Dürüm zum Mitnehmen, dass ich ne Viertelstunde später im Hotelzimmer mit Heißhunger verdrückte. Und nun, müd, satt, glücklich, werd ich noch das aktuelle Sportstudio vom Bett aus verfolgen, solange die Augen offen bleiben.



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