03 März 2017

Ein zweiter Ausflug in die Vergangenheit

Da gab es ja noch etwas, das auf (Wieder-)Entdeckung wartete: Das Ferienhaus der Großeltern, in dem Isabel als Kind viele Urlaube mit der Familie verbrachte. Es liegt nicht gerade unmittelbar in Hamburg, aber wir konnten dem Reiz nicht widerstehen, das alte Domizil einmal mit heutigen Augen zu betrachten. Damit das Ganze mit öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt Sinn macht, stand ich heute etwas früher auf und saß schon kurz vor zwölf am FrühSpätstückstisch. Ausschlafen kann man daheim!
Von Altona aus sollte uns der Regional-Express(!) der Deutschen Bahn pünktlich nach Itzehoe bringen. Das Deutsche Bahn und PÜNKTLICH 2 Widersprüche in einem Satz sind, brauche ich nicht extra zu erklären. Da wir in Itzehoe planmäßig 8 Minuten Zeit haben sollten, vom Bahnhof aus die Schnellbus-Haltestelle Viktoriastraße zu finden, wurde ich schon etwas unruhig, als mir die Zugbegleiterin zwei Stationen vorher zur Antwort gab, wir hätten derzeit 6 Minuten Verspätung. "Aber das holen wir wieder auf!" fügte sie noch hinzu. Bezogen hat sie das wohl auf den Zielort Westerland (Sylt), geglaubt hab ich es trotzdem nicht. Als wir kurz darauf aus dem Bahnhof Itzehoe stürmten und Einheimische nach der Bushaltestelle fragten, war die Abfahrtszeit des Busses schon zwei Minuten vorbei. Aber zum Glück haben sich die Buslinien mittlerweile an die Deutsche Bahn angepasst und wir erreichten kurz vor knapp noch unseren Schnellbus nach Brunsbüttel, denn der verkehrt nur einmal stündlich. Kurz vor Brunsbüttel bekamen die Ortsnamen seltsame Formen, nach dem Ausstieg in Westerbüttel schauten wir uns um und suchten nach Anzeichen von Zivilisation.
Hier war wieder einmal anschaulich zu betrachten, was es mit den Begriffen "in the middle of nowhere" oder JWD auf sich hat.
Bushaltestelle mit Isabel und Auerhahn
Aber halt, auf der anderen Straßenseite gab es tatsächlich eine weitere überdachte Haltestelle, an der ein Busfahrplan aushing. Mit den darauf verzeichneten Ortsnamen hätte man jedes deutsche Geografie-Quiz gewonnen. Hier sollte 20 Minuten später unser Bus nach Blangenmoor abfahren. Und das tat er auch. Der Fahrer machte uns darauf aufmerksam, dass unser Schleswig-Holstein-Ticket hier nicht mehr gültig ist. Ok, fremde Länder, fremde Sitten. Isabel löste zusätzliche Fahrkarten, schließlich fuhren wir in ihre Kindheit zurück. Und dann, 4 Stationen später, betraten wir den Boden von Blangenmoor. Das Dorf besteht nur aus einem Straßendreieck, und ganz am Ende der Dorfstraße erkannte Isabel dann das Märchenhaus mit dem Reetdach wieder. Der Besitzer hat längst gewechselt, der Opa hatte das Haus schon vor vielen Jahren verkauft. Das ehemals weiße Haus mit grünen Fensterläden sieht heute so aus:
Blangenmoor, Ortsende
Der Pavillon im Garten ist noch der gleiche wie damals. Das Haus ist um einiges kleiner als in Isabels Erinnerung. Wir schlichen ein wenig über die daneben liegende Wiese, es schien niemand zu Hause zu sein. Isabel fielen noch einige Episoden aus ihrer Zeit hier ein.
Wir schlichen uns irgendwann wieder von dannen, den nächsten Bus zurück wollten wir auf keinen Fall verpassen. Beim Gang durch die Seitenstraße zurück zur Hauptstraße stießen wir bereits auf das Ortsende-Schild. Hier ging es nahtlos in den Ort Averlak über. Und dort stehen Wegweiser mit solchen Namen:

Deutsche Namen: Taterphal, Eddelak, Kudensee
Der Bus zurück kam pünktlich. Der freundliche Busfahrer erklärte mir auf Befragen, dass es für uns besser sei, am ZOB in Brunsbüttel umzusteigen anstatt in Westerbüttel, wie auf dem Hinweg. In Westerbüttel (siehe oben: JWD) hätten wir 21 Minuten Zeit zum Umsteigen gehabt. Wir fuhren weiter bis zum ZOB, um dort festzustellen, dass der Bus nach Itzehoe vor 5 Minuten weggefahren war. Wir hatten also fast eine Stunde Zeit. Toll.
Dadurch kamen wir in den Genuss eines langen Gesprächs mit einem sehr freundlichen älteren Herrn, der uns sowohl von seiner Herkunft aus Pommern bis zum Ableben seiner Ehefrau und seiner darauf folgenden Liaison mit einer Witwe aus Oberhausen als auch von einigen Eigenarten der Brunsbütteler Bevölkerung erzählte. Anschließend verbrachten wir die Wartezeit in einer kleinen Raucherkneipe mit Kiosk, der einzigen Möglichkeit, dem kalten Wind nicht ungeschützt ausgeliefert zu sein.

Und nun sitzen wir wieder in der warmen Gästewohnung und freuen uns darüber, einen schönen Tag erlebt zu haben.

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