12 November 2017

Die Bahn und die Achtsamkeit

Die Zusammenhänge sind nicht immer auf den ersten Blick zu sehen. Bei meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz mit der Firma DEUTSCHE BAHN hätte ich es allerdings ahnen können.
Ich hatte mir am Freitagmorgen vorsichtshalber nur das Ticket bis zum Löhr-Center gelöst. Denn durchlösen bis Moselweiß, am Löhr-Center aussteigen, vielleicht anderthalb Stunden beim HNO verbringen und dann mit dem gleichen Ticket nach Moselweiß zur Pizzeria weiterfahren, das konnte ja nicht richtig sein. Garantiert hätte mir auf der Weiterfahrt nach Moselweiß ein Schaffner aufgelauert und mich beim Anblick meines Tickets mitleidsvoll angelächelt. "Glauben sie, mit einem Einzelfahrschein kann man den ganzen Tag durch die Stadt fahren?!" hätte er mich gefragt und ich hätte fuffzig Euro fürs Schwarzfahren löhnen müssen. Oder so.

Ok, erstmal nur bis Löhr-Center gelöst, Abfahrt. Als ich auf der Fahrt dorthin die freundliche Schaffnerin fragte, wie lange man denn grundsätzlich mit einem Einzelfahrschein Pause einlegen könnte, erklärte sie mir natürlich, drei Stunden könne man pausieren. Tja, wie man's macht....
So musste ich mir dann mittags ein weiteres Ticket kaufen, um zur Pizzeria zu gelangen, wo ich mit Petra zum Mittagessen verabredet war.

Als Petra mich nachmittags am Hauptbahnhof absetzte, stand tatsächlich die Regionalbahn für die Rückfahrt bereits abfahrbereit auf dem Gleis. Das hätte mich stutzig machen sollen. Tat es aber nicht. Alles lief planmäßig und wie geschmiert. Jedenfalls bis Lützel. Die Ansage verkündete den nächsten Halt in Urmitz/Rheinbrücke. Mir kamen die ersten Zweifel. Da hält die doch sonst nie. Häää?! Beim weiteren Streckenverlauf über den Rhein nach Engers wurde es mir klar. Die haben mich wieder reingelegt. Einen Moment ist man mal unachtsam - Zack, steht der falsche Zug auf dem Gleis. Naja, für Fehler bezahlt man halt. Weiter in Richtung Neuwied unterwegs kamen mir Zweifel, wie ich das dem Schaffner erklären sollte, der unzweifelhaft gleich aufkreuzen würde. "Ich hab die falsche Fahrkarte, weil ich aus Versehen in den falschen Zug gestiegen bin!"? Ich hörte den Schaffner in Gedanken schon lachen. "Jaja, falscher Zug. Tolle Erklärung!". Oh Mann!

Als ich das Ticket aus der Brusttasche holen wollte, wurde mir dann heiß: Falsche Fahrkarte? Welche Fahrkarte?? Ich hatte am Bahnhof auf den Abfahrtsplan geschaut, war sofort zum Gleis 3 gesprintet, eingestiegen und losgefahren. Ach du Scheiße! Das glaubt Dir ja gar keiner mehr. Die folgenden 8 Minuten bis Neuwied Bahnhof dehnten sich zu Stunden. Obwohl es im Zug recht kalt war, wurde mir heiß. Der Controletti würde einen Blick ins Abteil werfen und sofort sehen: Der Typ mit der roten Birne und dem verbissenen Grinsen fährt schwarz! Und ich weiß bis heute nicht, welcher glücklichen Fügung ich es zu verdanken habe, dass diesmal keine Kontrolle kam.

In Neuwied konnte ich dann erstmal aussteigen und aufatmen. Der Fahrkartenautomat zeigte mir an, dass ich zwanzig Minuten später mit dem Bus direkt nach Andernach fahren kann. Nochmal aufatmen. Eigenartig war nur, dass im Display stand: "Bitte wählen sie die gewünschte Fahrt aus" und drei Fahrten angezeigt wurden, aber nur hinter der anderthalbstündigen Bahnfahrt mit zweimal umsteigen ein Button [Auswählen] zu finden war. Die Zeile mit der schnellen Busfahrt ließ sich nicht auswählen. Es war gut, dass ich keinen Hammer im Rucksack hatte, denn ich glaube, DAMIT HÄTTE ich auf dem Touchscreen die gewünschte Fahrt ausgewählt. Also rein in den Bahnhof, und tatsächlich gab es dort einen besetzten Infoschalter der Verkehrsbetriebe. Vor mir drei junge Menschen, die versuchten, dort ein Ticket nach Würzburg für einen vierten jungen Mann zu ergattern, welcher der deutschen Sprache nicht mächtig war. An sich nicht schlimm. Außer man steht dahinter und weiß, dass der Bus in einer Viertelstunde abfährt. Nachdem die drei mit dem vierten ausgiebig über die Abfahrtszeit (morgen oder doch lieber am Sonntag?) und den Abfahrtsbahnhof (Neuwied, oder sollen wir Dich nicht doch besser nach Koblenz bringen?) und alle sich daraus ergebenden Kombinationen diskutiert hatten, kauften sie dann endlich ein Ticket, bevor ich anfing, Tierlaute von mir zu geben.

Leider stellte sich heraus, dass ich die benötigte Busfahrkarte auch nicht bei dem freundlichen Info-Menschen erwerben konnte, sondern ausschließlich beim Busfahrer.
Spätestens jetzt wird dem geneigten Leser vor Augen geführt, dass eine solche Eigendynamik, so sie einmal begonnen hat, nicht mehr zu stoppen ist. Sie verknüpft viele kleine Ereignisse derart kausal miteinander, dass man schon sehr achtsam sein muss, um überhaupt noch einen Ausweg zu finden, bevor das Ganze in einem kompletten Fiasko endet und sich am Ende die Kontinentalplatten verschieben. Und genau das fiel mir in diesem Moment ein. Achtsam sein. Tief durchatmen. Nachdenken.

So überlegte ich draußen an der Bushaltestelle, was denn als nächstes Malheur auf mich warten könnte. Einer diffusen Ahnung folgend öffnete ich mein Portemonnaie - und sah, dass ich mein Kleingeld in der Pizzeria komplett fürs Trinkgeld geopfert hatte. Nur ein einsamer Fuffi steckte noch im Notenfach. Das war's! Der Busfahrer würde nicht wechseln können und ich hätte anschließend genügend Zeit zum Geldwechseln, denn der nächste Bus nach Andernach fuhr erst in einer Stunde.

Ich also mit eiligen Schritten zum Bahnhofskiosk, die Betreiberin war natürlich begeistert, als sie mir für einen Riegel "Wunderbar" ihr komplettes Wechselgeld rausgeben musste. Tja, mich fragt auch keiner. Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass sich der Akku bedrohlich der Null näherte. Soso, das war also der Plan. Aber nicht mit mir.

Ich war rechtzeitig wieder an der Haltestelle. Als der Bus nach fünf Minuten Verspätung immer noch nicht da war, dachte ich kurz, der Bahn-Murphy hätte umdisponiert und der Bus würde unterwegs einen Motorschaden vortäuschen, aber zwei Minuten später kam er tatsächlich und brachte mich sicher nach Hause. Der Herr vor mir bezahlte übrigens mit einem Zwanziger und der Busfahrer musste ziemlich tricksen, um ihm rausgeben zu können. Zwei Euro in 20-Cent-Stücken oder so ähnlich.
An einem solchen von Murphy angebissenen Tag überrascht es auch nicht, dass ich beim abendlichen Skat gerade nochmal an einer verlorenen Runde vorbei kam. Den ganzen Abend nicht ein halbwegs vernünftiges Blatt. Ja, so hängen die Dinge nun mal zusammen. Sowas kann am Ende auch mal ganz anders ausgehen. Deshalb: Augen auf im Bahnverkehr!

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