01 November 2017

Den Dingen auf den Grund gehen

Eine kurze Buchbesprechung muss ich noch loswerden.
Anne von Canal hat mit ihrem Debutroman "Der Grund" ein bewegendes Werk geschaffen. Das Buch ist anspruchsvoll, man kann es nicht mal so nebenbei lesen. Ich musste immer wieder überprüfen, auf welcher Zeitebene die Handlung gerade spielt. Ja, ich habe eine Weile gebraucht, dieses Muster zu durchschauen. Aber genau das macht es auch hochinteressant.

Ohne jetzt allzu sehr zu spoilern, die Geschichte selbst ist gar nicht so schwierig. Sie ist aber so geschickt aufgebaut, dass sie jederzeit das Interesse daran wach hält, zu verstehen, was denn nun genau passiert ist. Sie beginnt mit dem Ende, ohne das einer bestimmten Zeit zuzuordnen. Dann wechselt sie erkennbar zwischen 2005, 1976, 1992 und nimmt in jedem Kapitel Bezug auf Vergangenes, in Form von Erinnerungen. Sie wechselt zwischen Ich-Erzählung (2005) und von-außen-Betrachtung und man hat am Ende ein Kaleidoskop von Erlebtem und Gefühltem der Hauptfigur, dass man auch nach und nach besser versteht, je weiter man im Lauf des Buchs die Puzzlesteinchen zusammensetzen kann. Es ist nicht unverschämt schwierig, dem zu folgen, aber es erfordert Achtsamkeit vom Leser. Und es hält in der zweiten Hälfte des Buches zwei für mich unerwartete Informationen bereit, die mich umgehauen haben, die aber einiges verständlich machen und die einen am Ende auch wieder an den Anfang des Buches bringen. Und zum Verständnis der Mehrdeutigkeit des Titels.

Das i-Tüpfelchen sind für mich einige wunderbar treffende Beschreibungen und Vergleiche, die mich sehr ansprechen.

... und als ihr die Flasche entglitt und als Laurits instinktiv versuchte, sie aufzufangen, da spürte er in der Dunkelheit unerwartet ihre kühlen Hände. Ein Schlag aufs Herz war das, und die Welt stockte, stolperte und richtete sich neu aus. Alle Pole waren festgelegt. Nord und Süd. Plus und Minus. In dieser Nacht verbanden sich seine rechte und ihre linke Hand magnetisch ....

... war als Einziger gebannt gewesen von den unendlichen Reihen fahler Plattenbauten, die wie Zahnstümpfe einer neben dem anderen in den Himmel ragten.....Von viel zu breiten Straßen, die sich wie aufgeworfenen Narben durch die Landschaft zogen. Von den weiten Flächen monochromen Nichts....Von dem nicht ausgerotteten Argwohn, der aus den Blicken der Menschen sprach....

Ich hoffe, ich habe Euer Interesse geweckt. Wer die Muse hat, achtsam zu lesen, dem lege ich diese Perle wärmstens ans Herz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen